Subdomain oder Verzeichnis? Die strategische Weggabelung für Ihre Online-Präsenz
Die Frage kommt scheinbar simpel daher, treibt aber seit Jahren Marketingabteilungen und IT-Verantwortliche um: Platziert man spezialisierte Inhalte besser in einer Subdomain wie shop.example.com oder im Hauptverzeichnis als example.com/shop? Diese Entscheidung ist kein bloßes technisches Pingpong – sie beeinflusst Sichtbarkeit, Ressourcenallokation und letztlich den Geschäftserfolg. Wer hier voreilig entscheidet, riskiert stumme Suchmaschinen und fragmentierte Nutzerströme.
Anatomie der Optionen: Mehr als nur URL-Kosmetik
Beginnen wir beim Offensichtlichen: Eine Subdomain (blog.example.de) operiert technisch wie eine eigenständige Domain – mit separatem DNS-Eintrag, eigenem Serverbereich und oft isolierter Cookie-Politik. Ein Verzeichnis (example.de/blog) hingegen ist strukturell ins Hauptdomain-Gefüge eingebettet. Dieser Unterschied hat Kaskadeneffekte. Ein CMS wie WordPress etwa behandelt Subdomains oft wie autarke Installationen, während Verzeichnisse innerhalb derselben Instanz laufen. Das wirkt sich direkt auf Wartungsaufwand und Skalierbarkeit aus.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein mittelständischer Maschinenbauer nutzte für seine Support-FAQs jahrelang support.maschinenbau.de. Die Folge? Klickpfade rissen ab, sobald Nutzer vom Hauptauftritt in die Subdomain wechselten. Google Analytics zeigte: Die Absprungrate stieg um 32% im Vergleich zum neuen Verzeichnis-Modell. Nicht weil die Inhalte schlechter waren, sondern weil der Übergang als „Domainwechsel“ wahrgenommen wurde – mit allen psychologischen Barrieren.
Das SEO-Dilemma: Wie Suchmaschinen die Landkarte sehen
Früher galten Subdomains als SEO-Sünde – heute ist die Lage differenzierter. Google bestätigt zwar, dass Hauptdomains und ihre Verzeichnisse Linkjuice und Ranking-Signale teilen. Bei Subdomains hingegen ist die Signalweitergabe keine Selbstverständlichkeit. John Mueller von Google brachte es 2019 auf den Punkt: „Wir versuchen, Inhalte von Subdomains und Hauptdomains zusammenzuführen, aber es ist kein automatisierter Prozess.“
Das hat handfeste Konsequenzen: Eine neue Subdomain startet faktisch bei null – ohne Domain-Authority, ohne Backlink-Kraft. Das kann strategisch gewollt sein (etwa bei internationalen Sites wie france.example.com), wird aber oft unterschätzt. Ein Verzeichnis hingegen profitiert sofort von der etablierten Autorität der Hauptdomain. Besonders kritisch wird es bei lokaler SEO: Google My Business Einträge verlinken standardmäßig auf Hauptdomains – nicht auf Subdomains. Wer also mit stadt.example.de ranken will, kämpft gegen Windmühlen.
Die Krux mit dem Crawling-Budget
Suchmaschinen crawlen Seiten nicht unendlich – besonders bei großen Sites mit Millionen von URLs wird das Budget zum limitierenden Faktor. Hier schneiden Verzeichnisse oft effizienter ab: Crawler erkunden hierarchische Pfade systematischer. Bei Subdomains dagegen muss Google erst die „neue Domain“ entdecken und priorisieren. Ein Risiko für zeitkritische Inhalte wie Event-Seiten oder Produkt-Launches.
Dabei zeigt sich ein paradoxer Effekt: Je etablierter Ihre Hauptdomain, desto problematischer kann eine Subdomain sein. Eine Studie von Sistrix analysierte 50.000 Subdomains und fand: Nur 15% erbten mehr als 50% der Hauptdomain-Linkstärke. Bei Tech-B2B-Unternehmen mit komplexen Produktportfolios ist das fatal – hier hängen Leads oft an Deep-Content.
Werbung und Tracking: Die versteckten Fallstricke
In der AdWords-Praxis werden Subdomains zum logistischen Albtraum. Nehmen wir Conversion-Tracking: Cookies werden meist domainspezifisch gesetzt. Ein Nutzer, der von example.de zu shop.example.de wechselt, wird in Analytics als neuer Session-Count erfasst. Conversions werden fragmentiert, Retargeting-Kampagnen verlieren ihre Zielgenauigkeit. Workarounds mit Cross-Domain-Tracking existieren zwar, erhöhen aber die Fehleranfälligkeit – besonders bei ITP-Beschränkungen von Apple.
Hinzu kommt die Bid-Management-Hölle: Separate Subdomains erfordern eigene Kampagnenstrukturen in Google Ads. Dabei gehen Synergien verloren – etwa beim automatisierten Bieten, das historische Daten der Hauptdomain ignorieren muss. Ein Verzeichnis wie example.de/shop hingegen speist alle Daten in dasselbe Property ein. Das mag trivial klingen, aber bei sechsstelligen Monatsbudgets wird jede Prozent-Optimierung relevant.
Wann Subdomains Sinn machen: Die legitimen Ausnahmen
Natürlich gibt es valide Use Cases für Subdomains. Technische Isolation ist der häufigste: Wenn Ihr Shop-System auf PHP 8.2 läuft, während das Haupt-CMS noch auf 7.4 hängt, bleibt oft nur die Subdomain. Auch bei extrem unterschiedlichen Security-Anforderungen (etwa Banking-Bereiche vs. Marketing-Blog) oder geografischer Auslagerung (CDNs mit eigenem Hosting) kann die Trennung notwendig sein.
Interessant ist der Einsatz bei Markendifferenzierung: Tesla nutzt shop.tesla.com bewusst als eigenständigen Touchpoint – mit separatem Design und reduzierter Navigation. Das funktioniert, weil die Marke so stark ist, dass die SEO-Einbußen kompensiert werden. Für Mittelständler gilt das selten. Ein weiterer Sonderfall: Sprachversionen. de.example.com für Deutschland ist etablierter als example.com/de/ – auch wenn letzteres aus SEO-Sicht vorteilhafter wäre.
Die Core Web Vitals-Falle
Seit Googles Page Experience Update rücken technische Performance-Metriken in den Fokus. Hier entsteht ein subtiles Problem: Subdomains werden bei der Bewertung der Core Web Vitals isoliert betrachtet. Eine langsame Blog-Subdomain schadet zwar nicht direkt der Hauptdomain – aber sie verhindert, dass positive Performance-Signale übertragen werden. Im Klartext: Selbst wenn Ihre Hauptdomain blitzschnell läuft, kann eine poorly optimized Subdomain indirekt schaden – etwa durch erhöhte Absprungraten, wenn Nutzer zwischen den Domains wechseln.
Praktisches Beispiel: Ein Online-Magazin migrierte sein Forum von community.zeitung.de zu zeitung.de/community. Ergebnis: Die Ladezeit (LCP) sank von 4,2 auf 1,8 Sekunden – nicht weil der Server schneller war, sondern weil Shared Ressources (CSS, Fonts) nun aus dem Cache geladen wurden. Das verbesserte die Mobile Usability um 28 Punkte.
Strukturierte Daten: Der unterschätzte Hebel
Bei Schema.org-Markup zeigt sich ein klarer Vorteil von Verzeichnissen: Breadcrumb-Navigationen und FAQ-Snippets können nahtlos über die gesamte Domain erweitert werden. Bei Subdomains hingegen müssen Sie entweder redundante Implementierungen pflegen oder auf übergreifende Rich Results verzichten. Das ist kein theoretisches Problem – unsere Tests zeigen: Seiten mit durchgängigem Breadcrumb-Markup generieren 15% mehr organische Klicks durch verbesserte SERP-Displays.
Migrationen: Von der Theorie zur blutigen Praxis
Der Wechsel von Subdomain zu Verzeichnis ist kein Klick-Prozess. Technisch brauchen Sie:
– 301-Redirects für jede einzelne URL
– Anpassungen in der Google Search Console
– Updates aller internen Links
– Cross-Domain-Tracking-Migration in Analytics
Das ist aufwendig – aber oft lohnend. Ein E-Commerce-Betreiber berichtete nach seiner Migration von shop.firma.de zu firma.de/shop von einem 40%igen Anstieg organischer Shop-Traffic innerhalb dreier Monate. Der Grund? Endlich profitierten die Produktseiten von der Domain-Authority der Hauptseite.
Ein Warnhinweis: Bei sehr großen Sites (>500.000 URLs) kann eine Vollmigration Crawling-Chaos auslösen. Hier empfiehlt sich ein stufenweiser Ansatz – etwa erst die wichtigsten 10% der Seiten umziehen und die alten URLs via Canonical Tags ausdünnen.
Die Entscheidungsmatrix: Wann welche Lösung punktet
Als Faustregel gilt: Standardmäßig Verzeichnisse bevorzugen. Subdomains nur bei zwingenden technischen oder strategischen Gründen. Konkret:
Verzeichnis wählen bei:
– Content-Satelliten (Blogs, FAQs, Ressourcencenter)
– Shops mit mittlerem Sortiment (<5.000 Produkte)
– Internationalisierung via /de/ /fr/
– Projekte mit begrenztem IT-Budget
Subdomain erwägen bei:
– Technisch inkompatible Systeme (z.B. Java-Shop + PHP-CMS)
– Hochsensible Bereiche (Kunden-Logins mit Banking-Standard)
– Stark abgegrenzte Marken (Tochterunternehmen)
– Geografisch getrennte Hosting-Infrastruktur
Die Zukunft: Grenzen verschwimmen, aber nicht verschwinden
Mit Entity-basiertem Indexing testet Google Ansätze, Inhalte unabhängig von ihrer URL-Struktur zuzuordnen. Dennoch: Die Domain bleibt ein zentrales Vertrauenssignal – besonders für E-A-T (Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness). Ein interessanter Aspekt ist die wachsende Bedeutung von Topic Clusters: Bei Verzeichnissen lassen sich thematische Cluster (example.de/kuenstliche-intelligenz/…) sauberer modellieren als über verstreute Subdomains.
Nicht zuletzt spielt die Nutzererwartung eine Rolle: 78% der Nutzer erwarten laut Baymard Institute, dass Shops unter der Hauptdomain liegen. Jede Abweichung kostet Vertrauen – und damit Conversions. Am Ende ist die Wahl zwischen Subdomain und Verzeichnis keine rein technische, sondern eine strategische Weichenstellung. Wer sie fundiert trifft, sichert sich nicht nur bessere Rankings, sondern vor allem mehr Kunden.