
Alt-Attribute: Die unsichtbare Brücke zwischen Bildern und Suchmaschinen
Stellen Sie sich vor, Sie betreten eine Ausstellung moderner Kunst – doch alle Beschriftungen fehlen. Genau so ergeht es Suchmaschinen-Crawlern, wenn sie auf Bilder ohne Alt-Attribute treffen. Was für uns selbstverklärte IT-Profis wie eine Kleinigkeit wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als strategisches Schlüsselelement der Webseitenoptimierung.
Mehr als nur Barrierefreiheit: Das technische Innenleben der Alt-Texte
Jenseits der offensichtlichen Funktion für Screenreader-Nutzer erfüllen Alt-Attribute eine Doppelrolle: Sie sind Dolmetscher für Crawler und Fallback-Mechanismus bei Ladeproblemen. Technisch betrachtet handelt es sich um einfache HTML-Attribute innerhalb des <img>-Tags. Doch ihre Wirkung ist alles andere als trivial. Ein Beispiel: Ein Bild Ihrer neuesten Server-Hardware mit dem Alt-Text „rackmount server xy7 mit dual cpu“ liefert Google kontextuelle Hinweise, die über reine Pixelanalyse hinausgehen.
Warum Suchmaschinen auf Text angewiesen bleiben
Zugegeben – Googles Bilderkennung hat beeindruckende Fortschritte gemacht. Doch selbst die ausgeklügelsten Algorithmen scheitern an technischen Nuancen. Ein Raspberry Pi Cluster sieht für eine KI zunächst wie ein Elektronik-Baukasten aus. Erst der Alt-Text „raspberry pi 4 cluster mit k8s orchestration“ schafft semantische Klarheit. Dabei zeigt sich: Je spezifischer das Bild, desto entscheidender das Attribut.
Die versteckten SEO-Fallen im Bilderverzeichnis
Ein Rundgang durch typische Unternehmens-Websites offenbart erschreckende Muster:
- Generische Automatismen: „IMG_02345.jpg“ als Alt-Text – mehr als verbreitet als man denken möchte
- Keyword-Stuffing: „günstig billig preiswert server hosting cloud vps ssd“ – pure Suchmaschinenmanipulation
- Leere Attribute: alt=““ bei inhaltstragenden Visualisierungen
- Redundanzen: „Bild von: Diagramm zur Netzwerkauslastung“ – doppelt gemoppelt
Solche Patzer wirken wie Schrammen auf der technischen Visitenkarte Ihrer Seite. Nicht zuletzt, weil sie Crawler entweder verwirren oder wichtige Ranking-Signale verschenken lassen.
Praxischeck: Alt-Attribute systematisch prüfen
Manuelle Inspektion für Kritische Pfade
Öffnen Sie die Browser-Entwicklungstools (F12) und inspizieren Sie key pages wie:
- Produktdetailseiten
- Technische Whitepaper
- Infografiken & Architektur-Diagramme
Fragen Sie sich: Würde dieser Text einem Techniker den Bildinhalt vermitteln, wenn er ihn vorgelesen bekäme? Ein interessanter Aspekt: Oft entdeckt man dabei vergessene SVG-Grafiken, die ebenfalls Alt-Texte benötigen.
Automatisierte Audits mit Powershell & Co
Für umfassende Checks lohnt sich Automatisierung. Mit einfachen Skripten lässt sich der gesamte Bildbestand analysieren:
# Beispiel-Powershell: Extrahiert Alt-Texte aller Bilder
$html = Invoke-WebRequest -Uri "https://ihre-domain.de/produkte"
$html.Images | Select-Object src, alt | Export-Csv -Path "alt_attributes.csv"
Tools wie Screaming Frog oder Sitebulb gehen weiter und identifizieren sogar Bilder mit identischen Alt-Texten – ein häufiges Duplikatsproblem bei Produktvarianten.
Die Kunst der präzisen Bildbeschreibung
Ein guter Alt-Text ist wie eine prägnante Commit-Message: Kontextreich, aber ohne Ballast. Richtlinien für technische Inhalte:
- Funktion vor Form: „Vergleich IOPS NVMe vs. SATA“ statt „Balkendiagramm blau rot“
- Technische Spezifikationen: Modellnummern, Protokolle, Versionen nennen
- Handlungsorientiert bei Buttons: „Jetzt Testversion downloaden“ statt „Download-Button“
- Dekorative Bilder: bewusst leeren Alt-Text verwenden (alt=““)
Besonders heikel: Infografiken. Hier empfiehlt sich ein Zwei-Schichten-Ansatz: Kurzbeschreibung im Alt-Text plus verlinkte Detailseite mit Textversion.
Alt-Texte im SEO-Ökosystem: Verknüpfungspunkte
Isoliert betrachtet bringen optimierte Alt-Attribute wenig. Ihre volle Wirkung entfalten sie erst im Verbund:
Element | Synergie-Effekt |
---|---|
Schema.org Markup | Alt-Texte liefern Kontext für Product- oder TechArticle-Structured Data |
Ladezeitoptimierung | Beschreibungen bleiben sichtbar während Lazy-Loading-Bilder laden |
Google Ads Extensions | Bilderdaten fließen indirekt in automatische Erweiterungen ein |
Ein oft übersehener Zusammenhang: Alt-Texte in Screenshots von Admin-Oberflächen können Long-Tail-Keywords für Support-Suchen bedienen. „Fehlermeldung 0x80070005“ im Alt-Text wird zum versteckten Problemlöser.
Die Crawler-Perspektive: Was Google wirklich sieht
Moderne Crawler simulieren keine Screenreader, aber sie extrahieren und indexieren Alt-Texte als Textbausteine der Seite. Interessant: Bei Responsive Images mit srcset priorisieren Crawler meist das Alt-Attribut des <img>-Containers, nicht der einzelnen Quellen. Ein Grund mehr, auf konsistente Beschreibungen zu achten.
Ein Test: Deaktivieren Sie im Browser Bilder und prüfen Sie, ob der Seiteninhalt noch technisch nachvollziehbar bleibt. Diese Simulation zeigt schnell, wo Alt-Texte als Informationsstütze fehlen.
Alt-Attribute und Core Web Vitals: Die indirekte Verbindung
Zwar wirken sich Alt-Texte nicht direkt auf Ladezeiten aus – aber indirekt sehr wohl. Unbeschriftete Bilder führen häufiger zu Fehlinterpretationen des Seitenkontexts, was wiederum Layout Shifts begünstigen kann. Besonders bei Above-the-Fold-Inhalten sollte man daher auf korrekte Alt-Attribute achten, während asynchron geladene Bilder im Hintergrund eintreffen.
Enterprise-Fallstrick: Dynamische Generierung
In CMS wie Adobe Experience Manager oder komplexen Shop-Systemen werden Alt-Texte oft aus Produktdatenfeldern generiert. Das Problem: Technische Produkteigenschaften wie „64-Kern-CPU“ landen so automatisch im Alt-Text, während sinnvolle Beschreibungen („Vergleichstest Epyc vs. Xeon“) fehlen. Hier lohnt sich die Anpassung der Template-Logik.
Ein Praxis-Tipp: Nutzen Sie das title-Attribut nicht als Alt-Text-Ersatz! Es wird weder von Screenreadern standardmäßig ausgelesen noch zuverlässig von Crawlern indexiert.
Zukunftsperspektive: KI vs. manuelle Optimierung
Automatische Alt-Text-Generierung durch Tools wie Azure Computer Vision macht Fortschritte. Doch bei technischen Inhalten stößt sie schnell an Grenzen. Ein Test: Lassen Sie eine KI das Alt-Attribut für ein Kubernetes-Netzwerkdiagramm generieren. Das Ergebnis ist oft so allgemein wie nutzlos.
Fazit: Alt-Attribute bleiben Handarbeit für Experten – zumindest bei anspruchsvollen technischen Inhalten. Setzen Sie lieber auf Redakteure mit IT-Hintergrund als auf blinde Automatisierung.
Der große Irrtum: „Wir haben das vor 5 Jahren optimiert“
Bildbestände wachsen organisch – und mit ihnen die Alt-Text-Lücken. Ein jährlicher Audit gehört zur SEO-Pflicht, genau wie Sicherheitsupdates. Besonders nach:
- Relauches des CMS
- Migrationsprojekten
- Übernahme neuer Produktlinien
Vergessen Sie dabei nicht die oft vernachlässigten Ecken: PDF-Anhänge, Newsletter-Archive und Dokumentationsbereiche. Gerade technische Whitepaper enthalten häufig erklärende Diagramme mit mageren Beschreibungen.
Checkliste für den nächsten Sprint
Konkrete Handlungsempfehlungen für IT-Verantwortliche:
- Critical-Path-Bilder priorisieren (Above the Fold, Produktbilder)
- Alt-Text-Guidelines für Entwickler und Content-Creators etablieren
- Automatische Prüfung in CI/CD-Pipelines integrieren
- Dekorative Elemente mit role=“presentation“ markieren
- Bilderkennungstools gezielt für Massenbestände einsetzen
Und zu guter Letzt: Alt-Texte sind kein „Set and Forget“. Technologien entwickeln sich – und mit ihnen die Anforderungen an Bildbeschreibungen. Was heute als optimiert gilt, könnte morgen schon veraltet sein. Bleiben Sie wachsam.
Wer diese unscheinbaren Attribute strategisch einsetzt, baut nicht nur Brücken für assistive Technologien, sondern eröffnet Suchmaschinen neue Wege zum Verständnis komplexer technischer Inhalte. Und das ist am Ende mehr wert als jeder kurzlebige SEO-Hack.