
Kostenlose SEO-Beratung: Lockangebot oder ernsthafter Einstieg?
Die E-Mail landet im Postfach: „Kostenlose SEO-Analyse Ihrer Website – sofort verfügbar!“ Für IT-Verantwortliche und Entscheider klingt das verlockend. Schließlich drängen Geschäftsführung und Vertrieb auf bessere Sichtbarkeit in Suchmaschinen, während Budgets knapp sind. Doch hinter der Masche „kostenlos“ verbergen sich oft komplexe Geschäftsmodelle – und manchmal handfeste Risiken.
Das Geschäftsmodell hinter dem Gratis-Angebot
Warum sollte jemand unentgeltlich Expertise verschenken? Die Motive sind so vielfältig wie die Anbieterlandschaft. Einige Agenturen nutzen automatisierte Tools wie Screaming Frog oder SEMrush, um binnen Minuten Standardreports zu generieren. Diese werden dann als Türöffner für Folgeaufträge eingesetzt. „Wir identifizieren 27 kritische Fehler auf Ihrer Seite“ – der Klick auf die PDF offenbart oft Plattitüden wie „Meta-Tags optimieren“ oder „Mehr Content erstellen“.
Andere Anbieter verfolgen eine Datenstrategie. Wer seine URL und Kontaktdaten preisgibt, landet in Lead-Nurturing-Kampagnen. Nicht selten folgt wochenlanges aggressives Telefonmarketing. Dabei zeigt sich: Echte technische SEO-Experten arbeiten selten umsonst. Ihre Kompetenz in Core Web Vitals, Crawling-Optimierung oder JavaScript-Rendering ist hart erarbeitet – und entsprechend wertvoll.
Die versteckten Fallstricke
Ein Hauptproblem vieler Gratis-Checks ist ihre Oberflächlichkeit. Sie erkennen vielleicht, dass Ihre Mobile Usability Probleme macht, aber analysieren nicht, ob lazy-loaded Bilder oder Render-blocking CSS dahinterstecken. Oder sie monieren fehlende Backlinks, ohne die toxischen Profile zu prüfen, die Ihr Ranking eigentlich killen.
Noch brisanter: Manche Tools hinterlassen digitale Fingerabdrücke. Ein Administrator berichtete mir von einem „kostenlosen Audit“, bei dem der Anbieter anschließend manipulative Google Search Console-Daten nutzte, um angebliche Ranking-Einbrüche zu „beweisen“. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass veraltete Methoden empfohlen werden. Wer heute noch Keyword-Stuffing oder Linkkauf propagiert, hat die algorithmischen Updates der letzten Jahre verschlafen.
Selbsthilfe: Tools für den ersten Check
IT-Profis müssen nicht blind auf externe Angebote vertrauen. Mit kostenlosen Tools lässt sich vieles selbst prüfen:
Google Search Console bleibt das Nonplusultra. Sie zeigt Crawling-Fehler, Indexierungsprobleme und Mobile-Usability-Issues – direkt aus erster Hand. Kombinieren Sie das mit PageSpeed Insights: Die detaillierten Core Web Vitals-Reports decken auf, wo Ihre Ladezeiten leiden. Für Backlink-Analysen bietet Ahrefs eine eingeschränkte, aber brauchbare Free-Version. Und vergessen Sie nicht den Mobile-Friendly Test von Google – oft ein Augenöffner für Desktop-lastige Entwicklerteams.
Ein praktischer Tipp: Erstellen Sie ein simples Spreadsheet mit den KPIs. Tracken Sie vor jedem größeren Update Ihre organische Sichtbarkeit, Klickraten und Conversions. So haben Sie eine Baseline – und erkennen, ob Veränderungen wirklich Verbesserungen bringen.
Wann kostenpflichtige Beratung Sinn macht
Bei technisch komplexen Migrationen – etwa HTTP/2-Umstellung oder Framework-Wechsel – reichen Standardtools nicht aus. Hier braucht es Profis, die Crawl-Budgets simulieren oder AJAX-Rendering analysieren können. Auch bei hartnäckigen Penalties oder internationalen SEO-Strategien lohnt die Investition.
Interessanter Aspekt: Gute Berater rechnen transparent ab. Statt monatlicher Retainer sehen Sie bei uns oft Projektpauschalen oder Stundenkontingente. Und: Sie liefern nachvollziehbare Priorisierungen. Statt „Ihre Seite ist langsam“ hören Sie: „Die LCP-Zeit lässt sich durch Preloading von Webfonts um 1,2s reduzieren – das bringt voraussichtlich 7% mehr Conversions.“
Integration mit Paid Media: Der Synergie-Effekt
Wer SEO isoliert betrachtet, verschenkt Potenzial. Kluge kostenlose Beratungen – sofern seriös – zeigen Schnittstellen zu anderen Kanälen auf. Beispiel: Google Ads-Daten verraten, welche Keywords Conversions bringen, aber zu teuer sind. Perfekt für organische Optimierung! Umgekehrt liefern SEO-Recherchen wertvolle Long-Tail-Keywords für zielgerichtete Werbekampagnen.
Ein Praxisbeispiel: Ein IT-Dienstleister nutzte seine kostenlose SEO-Analyse (von einer vertrauenswürdigen Quelle) zur Identifikation technischer Content-Lücken. Die gewonnenen Keywords baute er nicht nur organisch aus, sondern speiste sie in remarketingfähige Google Ads-Kampagnen ein. Ergebnis: 30% geringere Customer Acquisition Costs bei gleichzeitiger Verbesserung des organischen Rankings für Commercial Intent-Phrasen.
Qualitäts-Check: So erkennen Sie seriöse Angebote
Nicht jede kostenlose Beratung ist Müll. Wie filtern Sie das Brauchbare heraus? Achten Sie auf:
Transparenz der Methodik: Nennt der Anbieter konkret verwendete Tools oder Analyseverfahren? Seriöse Player erklären, ob sie nur Onpage-Faktoren checken oder auch Backlink-Profile scannen.
Problemhierarchisierung: Gute Reports unterscheiden zwischen „Critical“ (z.B. Indexierungsblockaden) und „Nice-to-have“ (z.B. Schema.org-Optimierungen). Vorsicht bei Anbietern, die alles als dringlich brandmarken.
Konkrete Lösungsansätze: Statt „Content verbessern“ sollten Sie lesen: „Erstellen Sie eine Cluster-Seite zum Thema ‚Edge Computing Security‘ mit folgenden Subtopics…“ Das zeigt echte Auseinandersetzung mit Ihrer Nische.
Übrigens: Echte Experten verlangen oft Zugang zu Analytics oder Search Console. Wer nur mit der URL arbeitet, liefert zwangsläufig oberflächliche Ergebnisse. Aber Achtung: Geben Sie niemals Vollzugriff ohne NDA – schon gar nicht bei unbekannten Anbietern.
Die Kostenfalle „kostenlose Beratung“
Hier wird’s heikel. Manche Agenturen locken mit Gratis-Analysen, verpflichten Kunden aber in kleingedruckten AGBs zu Folgeaufträgen. Andere verschenken die Diagnose – aber die „Heilung“ ist astronomisch teuer. Ein besonders dreistes Modell: Das kostenlose Audit „findet“ hausgemachte Probleme, die nur der Anbieter beheben kann. Ein Kollege berichtete von einer WordPress-Site, bei der plötzlich 500 Server Errors auftauchten – nachdem das Audit-Tool ein fehlerhaftes Plugin installiert hatte.
Daher mein Rat: Lassen Sie niemals Tools Dritter auf Ihren Live-Server! Nutzen Sie Staging-Umgebungen oder beschränken Sie Zugriffe auf Read-only. Und: Im Zweifel lieber 500€ für eine unabhängige Mini-Analyse ausgeben, als auf scheinbar kostenlose Lockangebote hereinzufallen.
Alternativen: Community-Wissen und offizielle Ressourcen
Wer wirklich budgetfrei starten will, findet online erstaunlich viel Qualität. Google selbst bietet mit der Search Central-Dokumentation detaillierte Anleitungen – von JavaScript-SEO bis Internationalisierung. Foren wie StackExchange oder spezialisierte Subreddits haben oft höheren praktischen Wert als standardisierte Reports.
Vergessen Sie nicht lokale Online Marketing-Stammtische. In vielen Städten treffen sich SEOs und PPC-Experten regelmäßig – der Erfahrungsaustausch dort ist meist wertvoller als jede vorgefertigte PDF. Ein interessanter Nebeneffekt: Hier lernen Sie potenzielle Berater in informeller Atmosphäre kennen, bevor Sie Geld investieren.
Fazit: Augen auf beim Gratis-Check
Kostenlose SEO-Beratungen sind wie Probefahrten: Nützlich für einen ersten Eindruck, aber kein Ersatz für eigenes Fahrtraining. Für IT-Entscheider heißt das: Nutzen Sie sie als Inspiration, nicht als Blaupause. Fragen Sie nach der Datenbasis, prüfen Sie Empfehlungen kritisch und verlassen Sie sich nie auf eine einzige Quelle.
Letztlich geht es um Prioritäten. Die 200.000€-Enterprise-Website braucht professionelle Begleitung – da sind kostenlose Tools nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Für den mittelständischen Blog reichen oft schon Google-Ressourcen und Community-Wissen. Eins jedoch gilt immer: Nachhaltige Suchmaschinenoptimierung ist ein Prozess, kein One-Off-Projekt. Wer das verinnerlicht, wird auch mit limitiertem Budget sichtbarer.
Und manchmal ist die beste „kostenlose Beratung“ schlicht: selbst in die Search Console schauen. Die Daten liegen dort – man muss sie nur interpretieren lernen. Das ist zwar Arbeit, aber sie lohnt sich. Denn wer seine technischen Kennzahlen versteht, wird seltener an der Nase herumgeführt.